EuGH-Urteil stärkt Position freier Akteure beim Zugang zu Fahrzeugdaten
Der Zugang zu Fahrzeugdaten gewinnt im Markt zunehmend an Bedeutung und wirkt sich direkt auf die Wettbewerbssituation aus. Der Zugang zu Daten hat zudem einen bedeutenden Einfluss auf die Realisierung von Geschäftsmodellen rund um die Mobilität. Konkret geht es beispielsweise um mittels Predictive-Maintenance oder einer Remote-Diagnose erzeugte Informationen. Auf Basis dieser Informationen können den Fahrzeughalterinnen und Fahrzeughaltern konkrete Reparatur- und Serviceangebote unterbreitet werden. Ebenso können beispielsweise Fahrzeugversicherungen unter Einbezug individueller personen- und fahrzeugbezogener Daten zielgerichtet angeboten und passgenauer konzipiert werden. Die Liste der Anwendungsfälle lässt sich in vielfältiger Weise fortschreiben. Erhalten freie Akteure lediglich eingeschränkten oder in einem zeitlichem Versatz Zugang zu den erforderlichen Daten, entsteht ein beachtlicher Wettbewerbsnachteil. Diesem Umstand wird nun auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Oktober 2023 gerecht. In diesem Urteil entschied der europäische Gerichtshof, dass freie Akteure – beispielsweise freie Werkstätten oder Teilehändler – einen uneingeschränkten und diskriminierungsfreien Zugang zu Fahrzeugreparatur- und Wartungsinformationen sowie zu OBD-Informationen haben müssen. Fahrzeughersteller dürfen den Zugang nicht von Voraussetzungen abhängig machen.
Automobilhersteller haben – zum Schutz vor Manipulationen und ungewolltem Zugriff – den Zugang zu On-Board-Diagnosesystemen eingeschränkt und mit sogenannten Security Gate-ways abgeriegelt. Die Konsequenz für freie Akteure: Wollen diese nun bei der Diagnose oder Wartungs- und Reparaturarbeiten auf die Daten zugreifen, setzt dies eine aufwendige und kostenpflichtige Registrierung voraus und ist – aufgrund der herstellerspezifischen Regelun-gen – vor allem für Betriebe, die Arbeiten an mehreren Marken anbieten, mit einem erheb-lichen Aufwand verbunden. Der Fahrzeugglas-Spezialist Carglass und die Werkstattkette ATU sahen in den Security Gateways der Hersteller einen Wettbewerbsnachteil und verklagten im Jahr 2020 den FCA-Konzern (mittlerweile Teil des Stellantis-Konzerns). Da dem Fall eine EU-Verordnung zugrunde liegt, landete der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof. Dieser gab den Klägern nun Recht. Im Urteil vom 5. Oktober 2023 heißt es:
„Die unabhängigen Wirtschaftsakteure müssen somit uneingeschränkten Zugang zu den Informationen erhalten, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben in der Lieferkette auf dem Markt der Fahrzeugreparatur und -wartung erforderlich sind. Würde der Zugang zu den in Art. 61 Abs. 1 der Verordnung 2018/858 genannten Informationen an Bedingungen geknüpft, die in der Verordnung nicht vorgesehen sind, bestünde die Gefahr, dass sich die Anzahl der unabhängigen Werkstätten, die Zugang zu diesen Informationen haben, verringert, was möglich-erweise zu einem Rückgang des Wettbewerbs auf dem Markt für Fahrzeugreparatur- und Fahrzeugwartungsinformationsdienste und damit zu einem verringerten Angebot für Verbraucher führt.“
Könnten die Hersteller den Zugang zu den Fahrzeugdaten nach Belieben beschränken, könnten diese den Zugang von Bedingungen abhängig machen, die ihn praktisch vereiteln, so die Richter weiter. Andere Voraussetzungen für den Zugang in Art. 61 Abs. 1 der Verordnung 2018/858 genannten Informationen als die in der Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen, wie eine Verbindung des Diagnosegerätes über das Internet mit einem vom Hersteller bestimmten Server oder eine vorherige Anmeldung der unabhängigen Wirtschaftsakteure bei diesem Hersteller, seien nicht zulässig. Die Cybersicherheits-Erwägungen der Hersteller dürften nicht auf Kosten des Zugangs zu den für Reparatur und Wartung relevanten Daten gehen.